Quelle: Birgitt Schunk, Freies Wort Lokalausgabe Hildburghausen, Suhler Verlagsgesellschaft mbH & Co KG
Ständiger Regen bringt alles durcheinander: In Südthüringen steht das Gros der Ernte noch draußen - und dabei müsste die neue Saat in diesen Tagen längst in den Boden kommen.
Suhl - "In den letzten zwei Wochen haben wir nicht mal einen halben Tag dreschen können", sagt Dietmar Koch, der Geschäftsführer der Agrar-GmbH Streufdorf im Kreis Hildburghausen. Immerzu sei man in Wartestellung und komme doch nicht vorwärts. "Jetzt zuschauen zu müssen, wie das reife Getreide durch den ständigen Regen von Tag zu Tag an Qualität verliert, ist schlimm für einen Landwirt."
Aus dem guten Backweizen, den man eigentlich ernten wollte, wird Futterweizen. "Der wird allerdings derzeit nicht nachgefragt", so Koch. So werde das Futtergetreide wohl für den Eigenbedarf im Betrieb bleiben. "Doch wir können nicht alles behalten, denn wir brauchen auch Einnahmen." Schließlich muss die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gesichert werden. Von 600 Hektar wurden die Druschfrüchte bislang geborgen, auf 800 Hektar stehen sie noch draußen.
In Thüringen insgesamt sieht es nicht anders aus. Teilweise ist die Ernte nicht mal zu einem Drittel eingebracht - so auch im Landkreis Sonneberg. "70 Prozent sind bei Raps und Getreide noch nicht geerntet", sagt Volker Ehrlicher, der Vorstandschef der Agroprodukt Sonneberg. Letztes Wochenende konnte sein Betrieb zumindest ein paar kleine Partien dreschen - das allerdings mit 18 Prozent Feuchte. In normalen Erntejahren ein indiskutabler Wert, denn er beschert Trocknungskosten, um die Körner lagerfähig zu machen. Extreme Jahre erfordern aber extreme Maßnahmen.
"Ohne Trocknung wird es wohl nicht gehen in diesem Jahr", sagt auch Silvio Reimann, der Geschäftsführer der Milchland GmbH Veilsdorf (Kreis Hildburghausen). "Die Dienstleister haben jedoch signalisiert, dass sie uns mit dem Preis entgegenkommen wollen." Immerhin hatte die Milchland GmbH vergangenes Jahr für Trocknung und Reinigung 50 000 Euro auf den Tisch legen müssen. "Und 2009 war ein normaler Durchschnittssommer. Da kann man sich ausrechnen, was uns in diesem nassen Jahr ins Haus stehen könnte", so der Veilsdorfer.
Die Situation ist überall in Thüringen gleich: "Seit vier Wochen kann wegen dem Regen fast flächendeckend nur noch stundenweise geerntet werden", sagt Reinhard Kopp, der Referent Ackerbau beim Thüringer Bauernverband. Man könne ruhig schon von einer "katastrophalen Situation" sprechen, auf die die Betriebe derzeit zusteuerten. Jetzt hoffen alle auf die nächsten Tage, denn besseres Wetter ist angesagt. Kopp zufolge sei es mit ein paar trockenen Stunden jedoch nicht getan. Drei bis fünf Tage seien auf alle Fälle nötig, um erst einmal die Feuchte aus Boden und Getreide zu bekommen. Momentan können die Mähdrescher, selbst wenn die Körner im Handumdrehen trocken wären, nicht mal auf die durchweichten Felder fahren. "Hinzu kommt, dass sich von Woche zu Woche die mögliche Druschzeit am Tag verkürzt", so der Fachmann. Es geht auf den Herbst zu, die Feuchte steckt im Boden. Alles trocknet weitaus schlechter ab als im Juli und schiebt die Abläufe weiter nach hinten "Auf die Landwirte kommt deshalb eine enorme Arbeitsspitze zu, die so groß ist wie selten".
Dieter Mitschke, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Bad Salzungen/Eisenach, sieht das nicht anders: "Bei der Herbstbestellung gibt es Riesenprobleme, denn jetzt um diese Zeit wird sonst der Raps schon gesät." Bis zum 25. August ist dieser in normalen Jahren schon im Boden. Wenn die Ernte wieder weiter geht, muss also alles parallel laufen: Mahd, Trocknung, Strohbergung, Bearbeitung der Flächen und Aussaat - Engpässe inklusive. "Die Futterernte kommt auch noch hinzu", sagt Volker Ehrlicher von der Agroprodukt Sonneberg. "Wir werden dann alle Kapazitäten nutzen müssen, die wir haben." Auch Überstunden dürften in Größenordnungen anfallen. "Wir hoffen, dass die Bevölkerung dann auch Verständnis hat, wenn die Ernte-Maschinen so lange es geht am Tag arbeiten. Auch Lärm und Staub werden dabei nicht zu vermeiden sein.