![]() |
![]() |
Sie sind hier: Startseite > Zeitungsartikel > 26.07.2011 |
Quelle: Regina Haubold und Cornell Hoppe, Freies Wort Lokalausgabe Hildburghausen, Suhler Verlagsgesellschaf
Die feucht-kühle Witterung der vergangenen zwei Monate hat in der Landwirtschaft die lang anhaltende Trockenheitsphase im Frühjahr nicht wettmachen können. Ernteverluste bei Getreide sind programmiert.Mit Einbußen von 40 bis 60 Prozent der Getreideproduktion haben die Landwirte in diesem Jahr zu kämpfen. Schuld war das zu trockene Frühjahr. Foto: dapd
Hildburghausen - So tröstlich der Blick für den Laien sein mag, die grünen Felder und Wiesen können die Landwirte des Kreises nicht darüber hinweg täuschen, daß "dieses Jahr nichts Gescheites" aus der Ernte wird, wie es Silvia Wirsching, die mit Ehemann Norbert einen Agrarbetrieb in Rieth führt, kurz und bündig auf den Punkt bringt. Bernd Leidenfrost, Chef des Landwirtschaftsamtes, hat dafür nur zwei Worte: "Verrückte Situation!" In seiner langjährigen Praxis sei ihm solch ein Vegetationsverlauf noch nicht untergekommen, sagt er kopfschüttelnd. Eine Situation, in der das Getreide auf dem Halm schon wieder auskeimte und grüne Seitenähren getrieben hat und der Raps zum zweiten mal blüht... Für Leidenfrost bei Getreide und Feldfrüchten eine "absolute Ausnahmesituation", die in dieser Form allerdings nur in Südthüringen zu vermelden ist. Viel zu trockener Mai Denn der südliche Teil des Freistaates, darunter auch der Landkreis, war im Frühjahr von der drei Monate währenden knochentrockenen Klimaperiode am stärksten betroffen. Zwar sehen die Maißchläge rein optisch schon wieder recht "statt" aus, doch der Schein trügt, schätzt Leidenfrost, weil die mickrigen Pflanzen erst viel zu spät zu wachsen anfingen. Der Energiegehalt der Kolben wird nicht so hoch sein, wie bei einer normalen Ernte. Gleichwohl "hat der Mais viel aufgeholt", freut sich Silvio Reimann, Milch-Land-Geschäftsführer in Veilsdorf. "Wenn der Herbst halbwegs paßt und der Frost nicht schon Ende September kommt, könnte es mit dem Mais noch was werden", schätzt Reimann. Entspannung hingegen zeigt sich bei fast allen Agrarunternehmen an der "Futterfront". Zwar waren die Ergebniße des ersten Schnitts mehr als dürftig. Doch beim zweiten war ausreichend Gras und Luzerne nachgewachsen. Und auch mit einem dritten Schnitt könnte es klappen. Doch aufzuholen ist das Ertragslevel der Vorjahre bei vielen Betrieben wohl nicht. Die eigentlichen Sorgen der Landwirte gelten den Marktfrüchten, Getreide und Raps. Und gerade da klagen alle befragten Landwirte über ein Phänomen, das als "Zwiewüchsigkeit" bezeichnet wird. Norbert Wirsching in Rieth klagt darüber ebenso wie Silvio Reimann, Gernot Kaspari aus Henfstädt: Halb gelb, halb grün sind die Schläge bei Raps und bei etlichen Getreidearten, weil auf den trockenen, notreifen Stängeln schließlich neue grüne Triebe sproßen, als die Regenperiode einsetzte. Alte Schoten reif, neue Schoten noch grün, heißt das für den Raps. Mit dem Phänomen Zwiewüchsigkeit, so Reimann, habe man bislang nur wenig Erfahrungen. Wenn (über)reife und unreife Früchte an den Rispen und Stängeln stehen, ist das Ernten problematisch. Oftmals kann das Erntegut nur verfüttert werden, da die Qualität alles andere als ausreichend ist. Norbert Wirsching versucht, der Zwiewüchsigkeit mit Chemie beizukommen. Er müße jetzt entscheiden, ob auf größeren Flächen eine Sikkation (Austrocknung) ratsam sei. Das Verfahren ist quasi eine Art "Abreifesteuerung", mit der gleichzeitig Unkraut bekämpft und der Mähdrusch erleichtert wird. (Insbesondere bei Winterraps wird diese Methode regional standardmäßig durchgeführt, da die oberen Schoten einer Pflanze eher reif wären als die unteren und es so zu erheblichen Ernteverlusten käme, sagt die Fachliteratur). Doch Wirsching wird sich vor allem bei Weizen zu einem solchen Schritt entscheiden müßen, obgleich es zusätzliche Kosten verursacht. Bei Raps, so sagt er, sei die letzte Option Silage oder die Biogasanlage, auch wenn das nicht Sinn der Sache sei. An vertragliche Bindungen mit Händlern mag er gar nicht denken. Besonders trübe sind allgemein die Prognosen für die Wintergerste: "Nicht mal 50 Prozent Ertrag", fürchtet Wirsching, wird er vom Feld holen. Zwischen 30 und 50 Prozent Verluste bei Wintergerste sieht indes auch Reimann in Veilsdorf auf sich zukommen, denn teilweise konstatiert er "Totalausfall". Das muß auch Gernot Kaspari, von der Weißbachtal Agrar GmbH in Henfstädt bestätigen. "Wintergerste haben wir unter 40 Prozent vom Vorjahr." Und das war schon kein besonders gutes Erntejahr. Und das bedeutet für die Landwirte auch noch etwas ganz anderes. "Der Strohertrag ist minimal." Drei Ballen seien es pro Hektar - 1600 Kilo. In den vergangenen Jahren habe man das Dreifache von den Feldern geholt, sagt Kaspari. "Das Stroh wird teuer dieses Jahr", befürchtet er. Zuversichtlich ist man in Henfstädt, was die Futterproduktion angeht. "Der zweitgesäte Mais steht gut, da habe ich keine Bedenken", sagt Kaspari. Auch der zweite Schnitt sei beßer gewesen als der erste. Damit habe man viel Silage herstellen können, sagt er. Auch einem dritten Schnitt sehe er positiv entgegen. "Was wir jetzt noch brauchen ist Heu. Das konnten wir bislang noch nicht machen." "Jammern nützt nichts" Nächste Woche soll es damit losgehen und auch in der Hinsicht ist Kaspari positiv gestimmt. Die Trockenheit im Mai konnte der Agrarbetrieb nicht aufholen. Und auch die Nachblüte von Raps und Weizen betrifft die Henfstädter. "Die müßen "totgespritzt" werden", sagt Kaspari. Und das koste natürlich wieder extra Geld. "Aber wir brauchen nicht zu jammern. Nützt ja nichts", entgegnet der Landwirt. "Wir müßen jetzt unsere Arbeit machen." Ein wenig beßer scheint die Landwirtschaft-Produktion-GmbH Rappelsdorf die Zwiewüchsigkeit ausgeglichen zu haben. "Den ersten Raps haben wir weggehäckselt für die Biogasanlage", sagt Chef Hans Popp. Stattdeßen habe man als Zwischenfrucht Weidelgras angebaut, um das Futter für die Kühe zu sichern. Einige Stellen mit Raps haben die Rappelsdorfer stehen laßen. Und dort wird nun ähnlich verfahren. "Ein Teil wird weggehäckselt und ein anderer abgespritzt und nachgedroschen", erklärt Popp. Mit einem zweiten Schnitt im Grünland habe man einiges wieder aufgeholt. Der Regen im Juni und Juli habe auf jeden Fall auch gut getan, berichtet der Landwirt. "Der Mais steht ganz gut und auch der Roggen sieht gut aus." In der Gesamtsicht stellt sich trotzdem ein graues Bild heraus: "Das Futter wird reichen. Aber durch die schlechte Situation bei der Marktfrucht fehlen uns die Erlöse." Bei der Wintergerste sind es in diesem Jahr nur 45 Prozent vom Normalertrag. Und auch beim Stroh sieht es düster aus. "Wir haben höchsten ein, zwei Ballen pro Hektar", sagt Popp. "Viel zu wenig." Sein Fazit - und das gilt wohl für alle Landwirte im Kreis: "Dieses Jahr wollen wir am besten ganz schnell vergeßen."